Mit freudlicher Genehmigung von Frau Pastorin Petra Horn


Gottesdienst im Dom am 17.7.2011
Sommerkirche II  - 4. So n. Trinitatis
mit Taufe u. anschl. Ausstellungseröffnung

Text: 2. Mose  3,1-12  
Thema/ Symbol: Brennender Dornbusch - Berufung
(mit Bildbetrachtung) von Belinda di Keck

Gnade sei mit euch und Friede von Gott
und seinem Sohn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,
ich lese die biblische Geschichte, die unserem Bild und der Predigt zugrunde liegt..... (Predigttext aus 3. Mose 3,1-12) Vielleicht mögen Sie dabei schon das Bild auf sich wirken lassen.
Das sehen wir: viel leuchtendes Rot und orange, lebendig lodernde und züngelnde Flammen, die den Busch mit Dornen in Brand gesetzt haben.
Und strahlendes Gelb-Orange wie einer Sonne oder eines Wirbels aus reiner Energie im Hintergrund des Busches. Fast weiß, gelbweiß ist die Farbe im Zentrum des Dornbusches, zugleich auch leuchtende Mitte des Sonnenwirbels dahinter
Rot-Orange, warme Farben, Rot die Farbe des Feuers und der Liebe. Gelb- Orange Sonnenfarbe, Farbe des Lichtes. Darunter verschwindet der dürre Busch fast, seine wenigen dornigen Zweige sind „ins Leuchten“ geraten.
So erscheint das Bild „Brennender Dornbusch“ von Belinda di Keck, dass eigens zur Ausstellung „Licht und Feuer“ entstanden ist.
Feuer gibt Licht und Wärme. Feuer ist die Grundlage der Zivilisation und der Technik. Ohne Feuer kein Licht in der Nacht, also keine Orientierung. Ohne Feuer kein warmes Haus, also kein Wohnen. Ohne Feuer keine Ziegel, kein Stahl und kein Glas, also kein Bauen. Ohne Energie kein Auto, keine Eisenbahn und kein Flugzeug, also keine Fortbewegung - Feuer ein Menschheitssymbol, das in der Antike als eines der vier Elemente galt, aus denen die Welt be-
steht.  Feuer - nach der griechischen Mythologie ein Besitz der Götter. Prometheus erst entwendet das Feuer den Göttern mit List und wurde dafür grausam bestraft, aber das ist eine andere Geschichte.
Auch in der Bibel spielt das Feuer eine Rolle in den verschiedensten Geschichten. In der Dornbuschgeschichte ist es ein Symbol für die Anwesenheit Gottes. Und das Feuer als mächtiges, heißes, brennendes, die Menschheit voranbringendes Element ist den Erzählern der Bibel gerade recht, wenn sie anschaulich von Gott reden wollen. Das Feuer in seiner guten Gestalt. Das Feuer, das brennt aber nicht verbrennt. Das Feuer, das lodert, aber nicht verzehrt. Denn Feuer kann ja durchaus auch zerstören und vernichten, wenn es außer Kontrolle gerät. 
Das Volk Israel wusste: Wir haben einen feurigen Gott, einen Gott, der für uns „Feuer und Flamme ist“, der für uns „in Liebe entbrannt“ ist. Wir haben einen Gott, der buchstäblich „mit uns durchs Feuer geht“.

Genau das erlebt Mose am brennenden Dornbusch. Mose erlebt Macht und Glanz Gottes, der er sich nicht ohne Ehrfurcht zu nähern wagt. Aber vor allem erlebt Mose, dass Gott für sein Volk in Liebe entbrannt ist. Gott sieht die Not der Menschen und hört ihr Rufen um Hilfe und Rettung. Denn so spricht Gott: „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört“, sagt Gott zu Mose, „ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin hernieder gefahren, dass ich sie erretten aus der Ägypter Hand und sieh herausführen aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt.“ 
Mose wird das Volk im Auftrag Gottes aus der Sklaverei in Ägypten führen, eine Tat der Befreiung für viele, viele Menschen. Hier am Brennenden Dornbusch erlebt Mose seine Berufung, hier bekommt er seine Lebensaufgabe.
Durch diese Begegnung kommt auch sein Leben ins Leuchten, wird auch Mose selbst zu einem Menschen, von dem Licht der Hoffnung ausgeht.
Aber bevor das geschieht, war Mose eine gescheiterte
Existenz, ja ein Mensch, der ausgebrannt ist, würden wir heute wohl sagen. Er erlebet eine Verwandlung durch die Feuer-Begegnung mit Gott.
Schauen wir also noch mal genau hin und begleiten Mose auf seinem Weg mit den Schafen in der Wüste.
„Seltsam dieser Dornbusch! Da musste er doch mal genauer hinsehen. Irgend etwas stimmte da doch nicht! Mose war mit den Schafen und Ziegen seines Schwiegervaters am Rand der Steppe unterwegs. Vor ihm lag der Berg Horeb, der auch Sinai genannt wurde. Der Berg erhob beeindruckend in den blauen Himmel.
Aber Moses Aufmerksamkeit war ganz auf diese seltsame Erscheinung ausgerichtet. Dort, am Fuß des Berges, brannte ein Dornbusch. Nun, das war in der Wüste nichts Ungewöhnliches. Die Sträucher und Pflanzen waren alle ausgedörrt und wenn die Sonne vom Himmel herab brannte. Dann konnte sich so ein Busch schon mal von selbst entzünden. Doch dieses Feuer war ungewöhnlich. Erhörte einfach nicht auf zu brennen. Normalerweise ist so ein knochentrockner Busch schnell niedergebrannt – aber dieser hier: der brennt und brennt. Neugierig nähert sich Mose dem Feuer.
Ach ja, diese trockenen Dornensträucher erinnerten ihn schon länger an sich selbst. Ja, er kam sich auch vor, wie so ein stacheliger, ausgetrockneter Dornbusch. Er dachte zurück an seine Kindheit und Jugend im reichen Ägypten. Im Königspalast war er aufgewachsen, als Adoptivsohn der Königstochter. Er hatte alles, was man sich erträumen konnte. Doch dann hatte er die Beherrschung verloren. Er hatte die Brutalität der Aufseher gegenüber seinem Volk miterlebt. Über die himmelschreiende Ungerechtigkeit war sein Zorn aufgeflammt und wutentbrannt hatte er den Sklaventreiber niedergeschlagen. Er hatte die vernichtende Kraft des Feuers in sich erlebt. In seinem brennenden Zorn hatte er einen Menschen erschlagen und musste dann fliehen.
Und jetzt, Wüste, eine öde Gegend! Einsamkeit! Schafe und Ziegen hüten! Und das mit seiner Ausbildung! Mit seinem Wissen! Mit seinen Fähigkeiten! Jahrelang war er jetzt schon in dieser Einöde! Er war alt geworden. Er war müde geworden. Ja, er fühlte sich wie so ein alter, vertrockneter Dornbusch, der zu nichts mehr zu gebrauchen war. Ein Dornbusch, der verbrennt und dann zu Asche zerfällt. Alle seinen großen Pläne, alle Hoffnungen, Träume und Visionen verdorrt, vertrocknet,nur  schmerzhaft stechende Erinnerung übrig geblieben.
 Doch das Seltsame an diesem Dornbusch hier war, dass er eben nicht verbrannte. Das Feuer hörte nicht auf zu brennen. Es flackerte und loderte weiter!
Plötzlich hört er eine Stimme: „Mose! Mose!“ Erschrocken zuckt er zusamen und schaut sich um. Kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Nur Felsen, Steppe und seine Herde. Wer ruft ihn da? Die Stimme kam aus der Richtung des Dornbuschs! Wie kann das sein?! Ist es der Herr? Ist es Gott selbst, der da ruft?
Mose antwortete zögerlich: „Hier bin ich.“ Und tatsächlich, die Stimme antwortete: „Tritt nicht näher, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land... Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“
Mose war durcheinander und erschrocken. Gott selbst! In diesem Dornbusch?! Und dann fällt ihm ein: „Ich darf ihn nicht anschauen! Wenn es wirklich Gott ist, dann darf ich ihn nicht anschauen – denn niemand kann den Anblick der Herrlichkeit Gottes ertragen, niemand kann das überleben.“
Also schaute er nach unten auf den Boden und bedeckte sein Gesicht. Dann zieht er sich die Sandalen aus, wie geheißen. Ganz langsam und bewusst.
Mit dem Ausziehen der Schuhe macht Mose deutlich: „Du bist heilig! Du bist Gott! Ich unterwerfe mich unter deine Macht und Herrlichkeit.“  Er macht sich selbst verwundbar. Mit bloßen Füßen steht er auf heißem und steinigem Boden. Er liefert sich Gott aus.
Und jetzt geschieht das Unverhoffte. Dem alt gewordenen, ausgebrannten Mose, dessen Hoffnungen längst ausgetrocknet waren, gibt Gott den entscheidenden Auftrag für das Volk Gottes. Gerade dieser gescheiterten Existenz offenbart er sich mit seinem Namen.
Für die Juden ist die Befreiung aus Ägypten noch heute die wichtigste Befreiungstat Gottes. Und die Offenbarung von Gottes Namen wird noch heute als eine zentrale Stelle im Alten Testament gesehen. Welche Wunder vermag das Feuer Gottes zu tun! Welch neue Energie und Kraft zur Veränderung vermag Gottes Leuchtkraft zu entzünden?
Mose war offensichtlich ein Mann mit einem leidenschaftlichen Wesen und Charakter. Er konnte sich für etwas Begeistern, er war ein Typ, der „Feuer und Flamme“ für eine Sache sein konnte. Diese Leidenschaft hat aber auch eine zerstörerische Seite. Der aufflammende Zorn wirkt verletzend, zerstörerisch, so wie auch die Dornen und Stacheln des Dornbusches verletzen, wenn man hineingreift. Mose hat die Erfahrung gemacht, dass Feuer seiner Leidenschaft aufflammen, zerstören kann. Letztendlich hat eine Tat sein ganzes Leben zerstört.
Jetzt begegnet er dem Feuer eines anderen, Gottes Feuer.
Der wichtige Unterschied ist, dass der Dornbusch nicht selbst brennt, sondern dass Gottes Feuer in ihm brennt. Bei Mose war es anders: Bei ihm hat sein Zorn kurz und heftig gebrannt. Nicht Gottes Feuer hat in ihm gebrannt, sondern seine menschlichen Gefühle. Und so schnell wie das Feuer gekommen ist, so schnell ist es auch wieder erloschen. Mose war ausgebrannt. Sein Feuer war erloschen.
Und so kann der Dornbusch ein Symbol dafür werden, dass gerade das Abgestorbene, Vertrocknete, das Gescheiterte und Ausgebrannte, das gering geachtete, das in sich selbst Verwundete und Verletzte in unserem Leben zu einem Ort, der Gottesbegegnung werden soll. Ein besonderer Begegnungsort mit  Gottes verwandelnder Gegenwart. Oder, wie es der Apostel Paulus einmal ausdrückte: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2. Kor. 12,9)
Das ist eigentlich total paradox!  Mose hat ja innerlich gebrannt für die Gerechtigkeit und damit für die Weisung Gottes. Aber wenn wir für Gott brennen möchten und wenn wir unsere Leidenschaft im Einsatz für Menschen spüren, dann darf das nicht auf dem Wege geschehen, dass wir uns anstrengen und wir selbst zu leuchten versuchen. Sondern Gottes Kraft kommt zum Leuchten gerade dann, wenn wir uns mit unserer ganzen Verletztheit, unserem Zorn, unserem Scheitern, Gott hinhalten. Wenn wir uns von ihm neu entflammen lassen. Versuchen wir selbst zu leuchten, dann wird das immer nur ein kleines Strohfeuer sein – es lodert vielleicht kurz auf, ist dann aber auch schnell wieder erloschen.
Ich fürchte, mein eigener Glaube ist auch viel zu oft ein Strohfeuer, anstatt ein brennender Dornbusch zu sein. Wir versuchen als Christen oft, mit viel Aufwand und Anstrengung ein leuchtendes Glaubensleben zu führen – und fühlen uns dann so manches Mal ausgebrannt und müde. Was sollte man als guter Christ denn nicht alles tun? Man soll sich in der Gemeinde engagieren, man soll sein Geld geben, man soll für andere da sein, man soll vom Glauben erzählen... und bei all dem soll man auch noch frisch und fröhlich sein und am besten immer ein erlöstes Lächeln im Gesicht haben.
Dabei fühlen sich Viele auch schon ohne solch christliche Anforderungen müde und ausgebrannt. In unserer hektischen Welt ist das „Burn out“-Syndrom für viele eine reale Gefahr. Überall wird viel gefordert, überall begegnet uns Stress und Unruhe. Und so mancher brennt dann aus: Keine Energie mehr. Nur noch ein Häufchen Asche.
Gott sagt uns aber durch den Dornbusch: Ich will keinen „Burn-out“ - nein, ich will ein „Burn-in“. Ich will nicht, dass Ihr ausbrennt, sondern ich selbst will in Euch brennen. Nicht Ihr sollt versuchen in eurer Kraft zu leuchten, sondern ich will meine Kraft in Euch brennen lassen. Ich sehe das Elend und die Not meines Volkes.“
Längst nicht jeder wird es so radikal erleben wie Mose. Aber Gott hört und sieht auch unser Rufen! Vielleicht ist ein erster Schritt die Wahrnehmung, das Eingestehen. So und nicht anders ist es mit mir und meinem Leben jetzt.
Ein zweiter Schritt ist genau hinzuschauen und die Sehnsucht, die Neugier bewahren. Und wo wir „Feuer“, Licht, Leben, Liebe, Energie aufflammen sehen, sagen wie Mose: „Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen!“ Begegnung mit Gott ist immer unverfügbar, nicht machbar. Aber Gottes leidenschaftliche Liebe brennt für uns, auch heute zu jeder Stunde. Und er hört unser Rufen. Und er möchte uns ja begegnen. Mose erwischt es mitten in seiner alltäglichen Arbeit, unterwegs, an einem Ort, der zunächst mal gar nicht besonders heilig erscheint. Die Offenheit, das Hinschauen, das Hinhören ist entscheidend für eine neue Begegnung mit dem „feurigen“ Gott, der Feuer und Flamme ist für uns seine Menschen.
Möge uns heute und hier die Begegnung mit diesem Bild, mit dem Thema „Licht und Feuer“, mit den anderen Bildern Belinda di Keck etwas davon anstecken mit Sehnsucht,   Energie, Freude, Kraft und Gottesliebe.  

Amen.